KritikSchlager ist geil: Gute Quote für die Silbereisen-Show

Seit 1995 wird alljährlich die beliebte Musikshow „Schlager des Jahres“ vom MDR ausgestrahlt. Bis vor zwei Jahren setzte Bernhard Brink mit dieser Show, die ein Ableger seines beliebten damaligen Deutschen Schlagermagazins war, mit der Sendung Akzente. Im vergangenen Jahr wurde er von Florian Silbereisen abgelöst, der der Show seinen Stempel aufgesetzt hat. 



Während man früher zumindest bemüht war, bedeutende Schlager-Hits des Jahres zu präsentieren, geht es nun um so etwas wie einen Schlager-Jahresrückblick und um eine Art „Best Of - Schlagerfeste 2017“. Monat für Monat wurde auf das Schlagerjahr zurückgeblickt. Damit gab es ein Konzept, das teilweise sehr unterhaltende und rührende Momente hatte. Mit Ross Antony und Andy Borg gab es ebenfalls witzige „Schlagerkommentatoren“, deren Ansagen bisweilen aber schon überraschten (beispielsweise begrüßte Andy Borg KLUBBB3-Mitglied „Jan Schmidt“, und Ross Antony fragte: „Wem hat das gesungen?“).

Unterhaltend war etwa der Rückblick auf Vanessa Mais Hochzeit oder die Schlagerpanne Maite Kellys, der die Hose etwas verrutscht ist. Rührend und schön war, dass einiger verstorbener Schlagerstars gedacht wurde, z. B. Gunther Gabriels, Andrea Jürgens’ und Chris Roberts’, von dem sogar ein Medley vorgetragen wurde. Das ist einerseits löblich und erfreulich, andrerseits sei ein Rückblick gestattet, wenn die Verstorbenen in der „Feste“-Show zu Lebzeiten auftraten. Gunther Gabriel war nie dort zu Gast. Andrea Jürgens war im letzten Jahrhundert 2-Mal in der „Feste“-Show zu Gast – damals moderierte Carmen Nebel noch die Show. Und Chris Roberts einziger Auftritt bei Florian Silbereisen war im Jahr 2005 (allerdings ausgerechnet in der Show, in der erstmals Helene Fischer aufgetreten ist) – so gesehen wäre es schön gewesen, wenn man diesen Kultstars nicht erst posthum Raum gegeben hätte, andererseits darf man dankbar sein, dass der beliebten Sänger überhaupt gedacht wurde. An Joy Fleming wurde leider nicht gedacht, dabei hätte das Eurovisions-Medley Nicoles dazu durchaus einen Anlass gegeben.

Der Name der Sendung heißt „Schlager des Jahres“. Das impliziert trotz des neuen Konzepts, dass grundsätzlich schon kommerziell erfolgreiche Schlager des abgelaufenen Jahres vorgestellt werden. Einige wirklich sehr erfolgreiche Interpreten des Jahres konnte man für die Sendung gewinnen. Mit David Garrett war diesmal nur ein Künstler dabei, der mit dem Genre nichts zu tun hat. Immerhin schien die Kelly Family keine Zeit gehabt zu haben. Dafür waren kommerziell sehr erfolgreiche Künstler am Start – mit den Amigos, mit Santiano, KLUBBB3 und Vanessa Mai waren gleich fünf Album(!)-Nummer-1-Künstler des Jahres 2017 am Start. Fantasy machte den Ferber-Clan komplett, auch Semino Rossi, Maite Kelly und Newcomer Ben Zucker waren dabei – alles beliebte Künstler. 

Maximilian Arland deshalb einen „Schlager des Jahres“ zu attestieren, weil er seinen Namen geändert hat, ist hingegen schon wieder merkwürdig. Ebenso muss konstatiert werden, dass Frank Schöbels letzter Hit aus dem Jahr 1971 datiert – seither war er nicht in den GfK-Charts vertreten. Das wurde von den Chartsexperten nicht erwähnt, dafür aber schon einige kuriose Dinge.

 

Die erfolgreichste Albumkünstlerin der Chartgeschichte

Auf die größten Highlights möchte ich jetzt doch mal eingehen.

 Fast schon unfassbar ist, dass schon wieder dieser „Schmarrn“ in Sachen Andrea Berg erzählt wurde. Erneut wurde behauptet, dass Andrea Berg im Februar 1.000 Wochen in den Charts gewesen sei, davon 976 Wochen in den Album-Charts. Dieses Zusammenzählen von Äpfeln und Birnen ist vollkommen unsinnig. Entscheidend ist dabei der folgende Satz, der schlicht falsch ist, auch wenn er noch so oft wiederholt wird: „Sie ist damit die erfolgreichste Albumkünstlerin der Chartgeschichte.“ Als Andrea Berg 976 Wochen in den Album-Charts war (am 3. Februar 2017), war Helene Fischer 991 Wochen in den Album-Charts und ist damit schlicht erfolgreicher. Es ist schon der Hammer, dass der Lebensgefährte von Helene Fischer diesen nachweisbar falschen Unsinn nach wie vor erzählt, dass Andrea Berg erfolgreicher sei als eben Helene Fischer. Aktuell haben sowohl Helene als auch Andrea weit über 1.000 Platzierungen in den Album-Charts, wobei Helene eben einfach vorne liegt. Bei den Singles liegt sie ohnehin vorne: Sie hatte z. B. in diesem Jahr vier Single-Hits, davon zwei Top-Ten-Hits. Zum Vergleich: KEIN EINZIGER Titel der „Schlager des Jahres“-Show war in den Single-Charts, wobei es für Schlager natürlich extrem schwierig ist, in die Liste zu kommen. 

Wie die Rechnung zustande kommt, dass die Amigos ihre „100. Goldene Schallplatte“ bekommen haben, wäre auch interessant zu wissen – in Deutschland erhielten sie laut BVMI jedenfalls „nur“ 20 Awards (davon allerdings auch Platin- und Dreifach-Gold-Auszeichnungen), wobei auch das ein sensationeller Erfolg ist und nebenbei bemerkt sehr löblich ist, dass Silbereisen das überaus erfolgreiche Duo in die Show geholt hat. Der Experte stellte fest, dass die Amigos zum 8. Mal auf der Spitzenposition standen. Dass sie damit u. a. ABBA und Michael Jackson überholt haben, hat man nicht erwähnt.

 Die GfK ist allerdings auch lernfähig: In Oktoberfestshow wurde behauptet, dass DJ Ötzi mit „Einen Stern“ den größten Oktoberfesthit gelandet habe. Bei den Schlagern des Jahres hat man das dann doch zu Gunsten Andreas Gabaliers („Hulapalu“) korrigiert. Schlager.de hatte das schon damals festgestellt. Auch unserer Recherche bezüglich des Erfolges der Schlagerbooom-Interpreten wurde gerne in Silbereisens Show bestätigt.

Die jüngste Schlagersängerin an der Spitze - Vanessa Mai

Damit genug der Kuriositäten. Das ist eigentlich zugegeben nur eine Nebenbaustelle – nur: WENN man schon Experten zu Rate zieht und sehr ausführlich Charts-Kuriositäten vorstellt, sollte das auch seriös und mit korrekten Zahlen sein, weil viele der genannten Fakten ja wirklich interessant sind (z. B. dass Vanessa Mai die jüngste Schlagersängerin seit 35 Jahren ist, die auf der Spitzenposition der Albumcharts stand). 

Trotz des geänderten Konzepts ist fraglich, ob man bei den „Schlagern des Jahres“ die gefühlt letzte Stunde komplett auf aktuelle Schlager verzichten sollte. Im September angekommen, wurde „Amarillo“ von Ross Antony präsentiert – ein Song aus dem Jahre 1971. David Garretts „Purple Rain“ machte Prince 1984 zum Hit. Jürgen Dresws’ Hit-Medley bestand ebenfalls aus Klassikern. Auch Santiano brachten einen Oldie, der 1991 von U96 zum Hit gemacht wurde (die Filmmusik ist sogar noch älter). Hansi Hinterseers aktueller Song ist eine Neuauflage von T. Rex’ „Hot Love“ (1971). Die zugegeben sehr schöne neue Version des Heintje-Klassikers „Mama“ stammt im Original aus dem Jahre 1968.

Die Show wurde im November aufgezeichnet – und doch war man kreativ genug, den Dezember in die Show einzubeziehen, indem man gleich drei runde Geburtstage präsentierte. Frank Schöbel wird 75 Jahre alt und war persönlich in der Show anwesend, dann wurde ausgiebig auf Dieter Thomas Hecks bevorstehenden 80. Geburtstag hingewiesen. Eine originelle Idee war, eine „Heck-Parade“ zu präsentieren. Ob Reinhard Mey, der einst empört verweigerte, für einen „Schlager“-Echo nominiert zu werden, froh war, angesichts seines 75. Geburtstags mit dem schlageresken „Über den Wolken“-Gesang geehrt zu bleiben, ist zumindest fraglich. 

So oder so hat Florian Silbereisen einmal mehr bewiesen: „Schlager ist geil“. Die Einschaltquote ist ebenfalls mehr als beeindruckend – im Sendebereich des MDR schalteten 510.000 Zuschauer ein – 60.000 mehr als im Vorjahr. Mit bundesweit 2,64 Mio. Zuschauern kann man angesichts von vier ausstrahlenden Sendeanstalten mehr als zufrieden sein. Schlager.de gratuliert dem beliebten Showmaster herzlich zu diesem Erfolg.

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