Bei FacebookSantiano: Shitstorm nach politischem Statement beim Konzert in Kiel

Santiano: Shitstorm nach politischem Statement beim Konzert in Kiel © Frank Weichert/ Schlager.de

Wer am vergangenen Freitag im NDR die Schlagerdoku „Traumjob Schlagerstar?“ gesehen hat, dem ist vielleicht auch eine kleine Szene aufgefallen, als es um neue Songs für den Newcomer Vincent Gross ging. Das Autorenteam dachte über passende Inhalte nach und schloss ein Themenfeld kategorisch aus: Politik, weil die nicht zum Schlager passe. In der Tat hat der Schlager heutzutage – anders als in früheren Jahrzehnten nur noch selten politische Inhalte. Die meisten Schlagerinterpreten halten sich auch mit politischen Statements zurück. Teilweise wird das sogar kritisiert, man denke an Helene Fischer, die von Campino angefeindet wurde, dass sie sich politisch nicht äußert.

 

Mia Julia zeigte Kante gegen rechte Skinheads

Von einer total ungewohnten Ecke kam im vergangenen Jahr ein klares politisches Statement, das vielleicht ungewollt war, aber doch für große Aufmerksamkeit sorgte. Die Mallorca-Sängerin Mia-Julia sah sich bei einem Auftritt im „Bierkönig“ auf Mallorca mit rechten Skinheads konfrontiert und brach das Konzert vorübergehend ab, weil sie das nicht duldete. Bei Facebook schrieb sie im Anschluss: „Ich werde niemals in meiner Gegenwart geschweige während meines Auftrittes diverse Flaggen, Handzeichen oder ähnliches tolerieren noch akzeptieren und schon gar nicht einfach weiter performen, nur weil es der 'einfachere Weg' wäre.“ Zu dieser Aussage stand und steht sie auch weiterhin.

Roland Kaiser: Trotz großer Widerstände standfest gegen Pegida

Mit Roland Kaiser hat auch ein etablierter gestandener Schlagerstar Flagge gezeigt. Das bekennende SPD-Mitglied hat sich mehrfach in teilweise aufsehenerregender Art und Weise gegen die Pegida-Bewegung gestellt und dabei u. a. die „inhumane Flüchtlingspolitik“ gebrandmarkt – und ist damit ein großes Risiko eingegangen. Allen Widerständen zum Trotz steht Kaiser noch immer zu seinem Treiben. Über die Reaktionen im Anschluss äußerte sich Kaiser wie folgt in der Münchner Abendzeitung: „Ich werde niemals in meiner Gegenwart geschweige während meines Auftrittes diverse Flaggen, Handzeichen oder ähnliches tolerieren noch akzeptieren und schon gar nicht einfach weiter performen, nur weil es der 'einfachere Weg' wäre.“

Santiano kritisiert in Kiel „Arschlöcher der AfD“

Am Wochenende gab es wieder ein politisches Statement aus einer Ecke, von der man das kennt. Dass Santiano eher mit linker Politik sympathisiert, ist zumindest Insidern bekannt. Auch beim Konzert in Kiel machte Sänger Björn Both aus seinem Herzen keine Mördergrube und bekannte Farbe, indem er Freiheit als zu schützendes Gut propagierte und sagte (zumindest Konzertbesuchern zufolge), dass es darum gehe, die „Arschlöcher der AfD“ die Freiheit zu verteidigen. Dieses Statement kam nicht bei allen Santiano-Fans an. Während Roland Kaiser und sogar Mia Julia eventuelle Anfeindungen geduldig ertrugen, rieben sich nicht wenige Santiano-Fans die Augen, als sie – nach offensichtlich massivem „Shitstorm“ einiger Santiano-Fans – bei Facebook folgendes Statement abgaben:

Keine politischen Inhalte mehr bei Santiano-Konzerten

Liebe Santiano-Fans,

in den letzten 36 Stunden ist es auf unserer Facebook-Seite zu einer sehr kontroversen, hitzigen und dadurch sehr emotionalen Diskussion gekommen. Darunter leiden unsere Fans. Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, und um mit unseren treuen Wegbegleitern auch zukünftig einen fröhlichen Abend in ausgelassener Stimmung zu feiern, werden wir ab sofort bei Live-Konzerten auf politische Inhalte verzichten.

In unserer Haltung ungebeugt freuen wir uns auf die nächsten Konzerte und Begegnungen mit euch an Bord der Santiano.

Die Reise geht weiter, bis ans Ende der Welt.

“Wir für euch, und ihr für uns!”

Eure Santiano-Crew - Zack Ahoi!!

Santiano ist ein Unikat

Ob man mit den politischen Ansichten, die Santiano und die anderen genannten Beispiele vertreten, teilt, ist eine Sache. Ob man es gutheißt, wenn selbst Superstars wie Helene Fischer sich politisch nicht äußern, ist auch Geschmacksache. Aber Santiano haben einen bislang wohl in der Schlagerszene einmaligen Weg beschritten – ausgerechnet die „harten Seemänner“… - sie beugen sich dem Diktat des Shitstorms und äußern sich nicht mehr politisch. Mit anderen Worten nehmen sie sich selbst die Freiheit, die sie doch in so großen Tönen als schützenswert erachten.

Eine weitere Premiere in der Schlagerszene ist es, den eigenen Fan als „Arschloch“ zu bezeichnen. Dass auch (und vielleicht sogar gerade) Wähler einer bestimmten Partei sich zu Santiano hingezogen fühlen, liegt auf der Hand. Nicht wenige Fans waren offensichtlich „irritiert“ darüber, dass man die eigene Freiheit als ganz hohes schützenswertes Gut erachtet, damit aber definitiv NICHT die Freiheit der Andersdenkenden meint, die man sogar als „Arschlöcher“ diffamiert.

Vor diesem Hintergrund werden es sich andere Schlager-Superstars erst recht überlegen, sich politisch zu äußern, was auch ihr gutes Recht ist. Wer sich nicht äußert, signalisiert, dass es eine private Sache ist, wie man politisch steht. Wer sich aber sehr lautstark äußert und nachher einen Rückzieher macht, der muss sich fragen lassen, wie ernst es ihm denn wirklich ist mit der politischen Haltung.

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