Im großen InterviewRoland Kaiser: „Wir müssen nicht immer soviel herumheulen!“
Wenn einer in diesem Jahr von Erfolg zu Erfolg eilt, dann Roland Kaiser. Der gebürtige Berliner hat sich am 15.09.2018 mit seinem Konzert in der Waldbühne einen Lebenstraum erfüllt und zuvor im August die 15. Jubiläums-Kaisermania in Dresden gespielt. Wir trafen Roland Kaiser exklusiv in Berlin zum großen Schlager.de-Interview und sprachen mit ihm über die Entwicklungen in der Branche, die Karrierechancen von Nachwuchskünstlern sowie den fragwürdigen Wert von Prominenz. Kaiser findet dabei deutliche Worte und redet wie immer Klartext. Aber wir lernen ihn auch von seiner ganz persönlichen Seite kennen: Er erzählt uns, wo er sich zu Hause fühlt, was er an Menschen in seinem Umfeld besonders mag und warum das Ankommen im Leben so wichtig ist.
Schlager.de: Sie haben Mitte September erstmals in der Waldbühne Berlin gespielt. Den Gedanken dazu gab es sicher schon länger. Warum war jetzt der richtige Moment für die Show?
Roland Kaiser: Es war schon immer ein Wunsch von mir, in der Waldbühne aufzutreten. Dass ich dort wirklich einmal spielen werde, das hätte ich mir aber nie träumen lassen. Und nun war es soweit. Als wir 2017 die Mercedes-Benz Arena ausverkauft hatten, haben mein Freund und Geschäftspartner Dieter Semmelmann und ich beschlossen, es 2018 mit der Waldbühne zu versuchen. Dieter prophezeite, dass wir mit dem Konzert zu Weihnachten 2017 ausverkauft sein werden – und so war es dann ja auch.
Schlager.de: Sie haben im Vorfeld gesagt, Sie erfüllen sich damit einen Lebenstraum.
Roland Kaiser: Ja, das stimmt. Dem voraus gegangen ist ja mein Konzert mit den Dresdner Philharmonikern im letzten Jahr. Ich habe meine Karriere in den Siebzigern und Achtzigern in der ZDF-Hitparade begonnen. Jahre später stehe ich plötzlich mit diesem Weltklasse-Orchester auf der Bühne, und wir spielen zusammen mit dem Chor meine Titel in klassischer Besetzung. Das war wirklich eine Ehre für mich. Mit der Waldbühne ist es genauso.
Schlager.de: Sie sind in Berlin geboren und aufgewachsen, leben aber mit Ihrer Familie schon viele Jahre in Münster. Haben Sie das Gefühl, Sie kommen nach Hause, wenn Sie in Berlin sind?
Roland Kaiser: Ja, immer. Man kann eine Stadt wie Berlin mit einer so starken Ausstrahlung nicht einfach verlassen. Ich bin nie ganz weg gewesen. Meine Frau und ich haben im nächsten Jahr auch wieder eine Wohnung hier.
Schlager.de: Sind Sie jemand, der nach Heimat, nach Verankerung im Leben sucht oder gesucht hat oder ist Ihnen das nicht so wichtig?
Roland Kaiser: Ich glaube, diese Sicherheiten im Leben braucht jeder. Ich fühle mich dort wohl, wo die Menschen sind, die ich liebe und die mir wichtig sind. Das ist auch, aber nicht unbedingt an einen Ort gebunden. Neben Münster und Berlin bin ich auch auf Sylt zu Hause. Wir haben ein Haus dort und leben sehr gerne auf der Insel.
Schlager.de: Sie sagen, Authentizität ist Ihnen wichtig, und sie ist ein Grund für Ihre lange, erfolgreiche Karriere. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen notwendiger Veränderung und dem Wunsch, sich selbst treu zu bleiben?
Roland Kaiser: Jeder verändert sich im Leben. Die Menschen spüren, ob diese Veränderung nachvollziehbar und echt oder eben nur aufgesetzt ist. Es gibt Leute, die sich genau damit lächerlich machen, indem sie glauben, im Alter von 60 Jahren so sein zu können wie mit 35. Das funktioniert einfach nicht.
Schlager.de: Der Texter und Musiker Joachim Horn-Bernges sagt, ein Sänger und ein Titel müssen eine Droge sein, um zu verkaufen. Lässt sich so die Erfolgsgeschichte von Roland Kaiser zusammenfassen – Sie machen süchtig?
Roland Kaiser: Ich würde das Wort Droge weglassen, aber im Kern hat er Recht. Sänger und Titel müssen eine Einheit sein und zueinander passen. Hits sind Momentaufnahmen, und sie haben nur eine kurze Brenndauer. Man kann nicht sein Leben lang hoffen, nur Evergreens zu schreiben. Wenn einem ein paar gelingen oder auch nur einer, dann ist das viel. Mich begleiten einige meiner Hits durch meine gesamte Karriere, und wir konnten immer wieder anknüpfen. Ein großes Glück.
Schlager.de: Es gibt einen Tatort aus Dresden, der eine Geschichte in der Schlagerbranche erzählt und in dem es heißt, man müsse den Leuten heutzutage immer private Geschichten mitverkaufen, wenn man am Markt bestehen will. Erste Frage: Ist das Ihrer Meinung nach tatsächlich so? Und zweitens: Warum ist diese Selbstdarstellung so wichtig geworden?
Roland Kaiser: So stellt sich ein Drehbuchautor, der keine Ahnung vom Geschäft hat, das vielleicht vor. Für mich ist ein Journalismus, der ins Private drängt, äußerst fragwürdig. Ich brauche das nicht, und ich glaube auch nicht, dass sich darauf eine Karriere aufbauen lässt.
Schlager.de: Vielleicht nicht langfristig, aber doch, um für den Moment die nötige Aufmerksamkeit für das Produkt zu generieren?
Roland Kaiser: Wissen Sie was? Gedrucktes Wort verkauft keine Tonträger. Mit privaten Geschichten können Sie vielleicht den eigenen Bekanntheitsgrad etwas steigern, aber Hits haben Sie dadurch nicht. Mittlerweile wird das Wort prominent ja auch ganz anders definiert. Auf einmal ist man schon prominent, obwohl man nur der Mann oder die Frau von irgendwem ist, der in der Öffentlichkeit steht. Das war früher anders. Auch weil es die vielen Sendungen wie beispielsweise „Das perfekte Promi-Dinner“ oder „Promi Shopping Queen“ nicht gab, die mit „Prominenten“ besetzt werden müssen. Die Bedeutung des Wortes ist erodiert.
Schlager.de: Vor kurzem ist Dieter Thomas Heck gestorben, in dessen ZDF-Hitparade Sie Ihre Karriere begonnen haben. Sie haben die Entwicklung des deutschen Schlagers seitdem nicht nur begleitet, sondern auch geprägt. Was macht die Branche in den letzten Jahren Ihrer Ansicht nach richtig und wo würden Sie gegensteuern? Mit dem Absetzen der Hitparade fehlte ja eine wichtige Plattform.
Roland Kaiser: Aber es gibt neue Plattformen. Die Leute jammern mir an dieser Stelle zu viel. Es gibt ein gut funktionierendes Sendekonzept von Florian Silbereisen und Michael Jürgens, es gibt die Sendung mit Carmen Nebel im ZDF, wir haben den „ZDF-Fernsehgarten“, wir haben „Immer wieder sonntags“. Dazu kommen Videos, mit denen Umsatzstärken erreicht werden. Angebote sind ausreichend da. Wir müssen nicht immer so viel herumheulen. Dieter war ein wichtiger Mann für die deutsche Musik, und er hat den Boden bereitet für andere Sendungen.
Schlager.de: Bernhard Brink hat in einer Reportage des NDR gesagt, dass er heute nicht mehr anfangen möchte als Schlagerstar. Zuviel habe sich verändert bei TV- und Radiostationen und auch beim Aufbau der Künstler. Teilen Sie seine Meinung – und was war damals leichter, was ist heute schwerer?
Roland Kaiser: Na ja, wenn Sie damals eine Sendung gemacht haben mit bis zu 20 Mio. Zuschauern, dann wurden Sie gesehen. Diese Aufmerksamkeit zerstreut sich jetzt. Ein begabter Künstler kann aber heute wie damals anfangen und sich erfolgreich durchsetzen. Schauen Sie auf Ben Zucker, Max Giesinger oder auch Gregor Meyle. Es gibt dutzende andere Beispiele. Wer Talent hat, kommt heute genauso voran wie früher. Qualität setzt sich irgendwann immer durch. Das, was Bernhard Brink sagt, kann ich so nicht unterschreiben. Was ich jedoch auffällig finde, ist, wenn junge Leute in Casting-Shows gehen und auf die Frage nach ihrer Motivation antworten: „Ich möchte berühmt werden.“ Das ist der falsche Ansatz. Ich will Musik machen. Darum geht es. Erfolg ohne ein Qualitätsversprechen ist jedoch nicht möglich.
Schlager.de: Sie äußern wiederholt, dass Sie auf der Suche nach Gesellschaftskritik und Zeitgeist im deutschen Schlager sind. Das kann ich verstehen. Aber ist Ihnen mit Ihrer Musik nicht viel mehr gelungen: Ihre Titel sind Klassiker und damit zeitlos.
Roland Kaiser: Ja, das stimmt. Und trotzdem suche ich Titel, die reflektieren, was in der Gesellschaft los ist und das in guten Texten aufgreifen. Man muss dabei mit dem Florett arbeiten, nicht mit dem Säbel. Die Botschaft muss sitzen.
Schlager.de: Marius Müller-Westernhagen sagte in einem Interview mit dem stern im letzten Jahr den schönen Satz: „Kunst ist praktizierte Schizophrenie.“ Er meint damit, dass er auf der Bühne sein Publikum liebt und ganz selbstverständlich die Rampensau gibt. Privat jedoch fühle er sich von der Aufmerksamkeit der Fans schnell bedrängt. Geht es Ihnen auch so?
Roland Kaiser: Nein. Der Satz gilt für mich nicht. Ich fühle mich wohl mit den Menschen, egal wo. Ich nehme den Applaus allerdings nicht mit von der Bühne. Ich schwebe nicht, ich bin ganz schnell wieder auf dem Boden. Man ist geneigt, die Euphorie, die Begeisterung mit in sein Privatleben zu tragen. Das tue ich nicht. Ich gehe von der Bühne und lege das ab. Wenn der Applaus verklingt, bin ich wieder einer unter vielen.
Schlager.de: Götz Alsmann, mit dem Sie den Titel „Manchmal möchte ich schon mit dir“ neu aufgenommen haben, charakterisiert Sie mit den Worten, Sie seien selbstbewusst, aber nicht arrogant. Sie entgegneten ihm, dass das stimmt und Sie sich die Leute, die Sie umarmen, gern selbst aussuchen. Was müssen Menschen haben, die Sie mögen und bei denen Sie den Mantel aufmachen?
Roland Kaiser: Zuverlässigkeit, Loyalität, Ehrlichkeit. Und eine ganz wichtige Eigenschaft: Sie dürfen nicht nach unten treten.
Schlager.de: Sie gehen ab November auf große Arena-Tournee und sind und waren beruflich und privat viel unterwegs. Was ist wichtiger im Leben: das Unterwegssein oder das Ankommen?
Roland Kaiser: Das Ankommen. Das schließt aber nicht aus, viel unterwegs zu sein. Wenn Sie wissen, wo Sie herkommen und wo Sie hingehören, dann können Sie auch ganz selbstverständlich unterwegs sein.